Corona & Arbeitsrecht: Die 47 wichtigsten Fragen in arbeitsrechtlichen Mandaten


Arbeitsschutz, Homeoffice, Kurzarbeit & Co: Auch im Arbeitsrecht stellen sich im Zusammenhang mit der Corona-Krise viele Fragen. Dr. Peter H. M. Rambach, Fachanwalt für Arbeitsrecht, hat sich die wichtigsten Fragen vorgenommen und für Sie beantwortet.​​

Dr. Peter H. M. Rambach
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fettweis & Sozien | Freiburg

Darf der Arbeitnehmer aus Sorge vor einer Tröpfcheninfektion auf dem Weg zur Arbeit zu Hause bleiben?  

Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion, die vorrangig über die Schleimhäute oder Atemwege, aber auch durch den Kontakt über die Hände erfolgen kann. Daher wird zurzeit häufig empfohlen, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Das ist dennoch kein Grund für Arbeitnehmer, von der Arbeit fern zu bleiben.  

 

Das Wegerisiko trägt auch in Zeiten von Corona der Arbeitnehmer. Wie der Arbeitnehmer also zur Arbeit kommt, ist seine Sache. Selbst wenn der Zug oder die S-Bahn Verspätung hat oder wegen Corona gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt fährt, muss der Arbeitnehmer zur Arbeit erscheinen. 

Mein Arbeitnehmer steckt auf Teneriffa fest und kommt nicht rechtzeitig zum Arbeitsantritt aus dem Urlaub zurück. Liegt das Wegerisiko in diesem Fall auch beim Arbeitnehmer?    

Ganz genau. Jedenfalls entfallen hier seine Vergütungsansprüche, weil er unentschuldigt fehlt. Allerdings dürfte eine Abmahnung oder gar Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens scheitern, da dem Arbeitnehmer die Rückreise und damit der Arbeitsantritt unmöglich ist.

Gilt das Wegerisiko auch für Grenzgänger?  

Ja. Das Wegerisiko gilt auch für Grenzgänger. Sollten die Grenzen schließlich auch für Berufspendler schließen, entfallen wegen des Nichtantritts zur Arbeit die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers.  

Hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn er Sorge hat, sich im Betrieb anzustecken?  

Die reine Sorge reicht nicht, um daheim bleiben zu dürfen. Kommt der Arbeitgeber aber seinen arbeitsrechtlichen Schutzpflichten nach § 618 BGB nicht nach, so steht dem betroffenen Arbeitnehmer in der Tat ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB zu (BAG v. 192.1997, 5 AZR 315/95). Darüber hinaus drohen dem Arbeitgeber Schadenersatzansprüche nach § 618 Abs. 2 BGB, wenn er die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht erfüllt.

Welche Maßnahmen muss ein Arbeitgeber ergreifen, um seine Mitarbeiter zu schützen und darüber hinaus Schadenersatzansprüche zu vermeiden?  

Das kommt auf die Art der geschuldeten Tätigkeit an. Der Arbeitgeber hat nach § 618 Abs. 1 BGBRäume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete (Arbeitnehmer) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet". Ein 100%-iger Schutz ist demnach nicht geschuldet.  

Darf ein Arbeitnehmer die Arbeit verweigern, wenn sich die befürchtete Gefahr an seinem eigentlichen Arbeitsplatz gar nicht verwirklichen kann?  

Der reine Blick auf das Büro des Arbeitnehmers oder den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers reicht nicht aus. Nach Ansicht des BAG gehören hierzu vielmehr alle „Räume, die der Arbeitgeberzur Verrichtung der Dienste beschaffen hatund damit neben dem eigentlichen Arbeitsraum auch

 

  • alle Räume, die der Arbeitnehmer zum Zwecke der Erbringung seiner Arbeitsleistung zu betreten hat oder betreten darf einschließlich aller  
  • Nebenräume, wie z.B. Toiletten, Aufenthaltsräume, Kantinen, sowie  
  • alle Zuwege, Flure usw.  

 

Wichtiger Hinweis: Ein Rechtdie Arbeit zu verweigern entsteht also schon dann, wenn der Arbeitgeber in einem dieser Räume seiner Arbeitsschutzverpflichtung nicht hinreichend nachkommt. Der Entgeltanspruch bleibt dann natürlich bestehen.  

Welche Pflichten des Arbeitgebers begründet der öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz mit Blick auf Corona?  

Völlig ohne Verdachtsfall oder nachgewiesene Infektion trifft den Arbeitgeber (lediglich) die allgemeine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht.  

 

Danach hat der Arbeitgeber die Verpflichtung 

 

  • die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit für seine Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen (so genannte Gefährdungsbeurteilung§ 5 ArbSchG) und  
  • erforderliche Maßnahmen hieraus abzuleiten (§ 4 ArbSchG) 

 

Für die Praxis heißt das: Diese Maßnahmen gehören zur allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers:  

  • Hinweise/Aufforderung zum richtigen und regelmäßigen Händewaschen 
  • Das zur Verfügung stellen von Desinfektionsmitteln 
  • Verbot des Handgebens/Händeschüttelns 
  • Aufforderung zum Husten/Nießen in die Armbeuge oder ein Einmal-Papiertaschentuch. 
Kann die Ausgabe von Desinfektionsmitteln auf Mitarbeiter der Kanzlei übertragen werden?  

Ja, das ist kein Problem. Die Ausgabe von Desinfektionsmitteln oder auch das Auffüllen von Seifenspendern kann auf Mitarbeiter der Kanzlei übertragen werden.  

Muss der Arbeitgeber den Betriebsrat einbeziehen, wenn er Maßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes ergreift?  

Ohne den Betriebsrat geht es nicht. Maßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes, wie die Aufforderung zum regelmäßigen Händewaschen, betreffen das Ordnungsverhalten und Unterfallen damit dem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG).  

 

Beispiel: Verbietet der Arbeitgeber das Tragen eines Mundschutzes und von Handschuhen im Duty Free Shop, muss er hierbei zwingend des Betriebsrat beteiligen (ArbG Berlin, 3.3.2020, Az.: 55 BVGa 2341/20).  

Welche Pflichten treffen den Arbeitnehmer im Rahmen des allgemeinen Gesundheitsschutzes?  

Beschäftigte müssen natürlich die Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsschutzes befolgen (§ 15 ArbSchG). Tun sie dies nicht, verletzen sie ihre leistungsbezogenen Nebenpflichten (§ 242 BGB) sowie ihre nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB).  

Kann ein Arbeitnehmer aus Sorge vor einer Ansteckung nicht in den Betrieb kommen?  

Nein, die reine Sorge vor Ansteckung reicht nicht, um die Leistung zu verweigern. Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB setzt eine „Unzumutbarkeit“ voraus, was bedeutet, dass die Arbeit eine erhebliche objektive Gefahr für Leib oder Gesundheit darstellen müsste. Das ist im Fall einer reinen Sorge nicht gegeben.  

Hat ein Arbeitnehmer ein generelles Recht auf Freistellung?  

Es gibt kein generelles Recht des Arbeitnehmers, zu Hause zu bleiben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Arbeitgeber nicht die Pflicht hat, den Arbeitnehmer aus Sorge vor einer Anstellung freizustellen.  

 

Bleibt der Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu Hause, kann dies arbeitsrechtliche Sanktionen zur Folge haben, also eine Abmahnung und im Ergebnis sogar eine Kündigung.  

Dürfen Arbeitnehmer, die zu einer Risikogruppe gehören, aus Sorge vor einer Ansteckung die Arbeit verweigern?  

Grundsätzlich nein, denn solange kein Infektionsverdacht im Betrieb besteht, müssen auch Mitarbeiter, die zu klassischen Risikogruppen gehören, wie Ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen, zur Arbeit erscheinen.  

Hat der Arbeitnehmer Recht auf Arbeiten aus dem Home-Office?  

Ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung besteht kein Recht auf Home-Office/Telearbeit/mobiles Arbeiten.  

 

Wenn der Arbeitsvertrag dies bereits erlaubt, besteht natürlich ein Anspruch auf Home-Office. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass viele Verträge das Arbeiten von zu Hause nur für eine bestimmte Anzahl von Wochentagen erlauben. Ist das der Fall, besteht auch in Zeiten von Corona kein Anspruch auf ein Vollzeit-Home-Office.  

Welche Pflichten bestehen für Arbeitgeber, wenn sie Mitarbeiter ins Home-Office entsenden?   

Bei dem klassischen Home-Office handelt es sich um einen vom Arbeitgeber fest in der Wohnung des Arbeitnehmers eingerichteten Arbeitsplatz. Hierbei treffen den Arbeitgeber dieselben Schutzpflichten wie beim Arbeitsplatz im Betrieb. Das heißt, er muss bezogen auf den Heimarbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung durchführen (§ 5 ArbSchG) und darauf aufbauend entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen (§ 4 ArbSchG). Auch Fragen zum Datenschutz sollten unbedingt geklärt werden. Die Einrichtung eines Home-Office-Arbeitsplatzes sollte in jedem Falle vertraglich geregelt werden.  

Hat der Arbeitgeber das Recht, dem Arbeitnehmer einen Home-Office-Arbeitsplatz zuzuweisen?  

Hier ist ein Blick in den Arbeitsvertrag notwendig. Sieht dieser kein Recht des Arbeitgebers auf einseitige Anordnung eines Home-Offices vor, kann der Arbeitnehmer ohne seine Zustimmung nicht zur Arbeit aus dem Home-Office verpflichtet werden.   

Kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einseitig freistellen?  

Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen Anspruch auf Beschäftigung. Eine einseitige Freistellung ist daher nur möglich, wenn das Suspendierungsinteresse des Arbeitgebers das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.  

 

Beispiel: Der Arbeitnehmer kehrt von einer Reise aus einem vom Robert-Koch-Institut benannten internationalen Risikogebiet zurück.  

 

Folge: In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig von der Arbeit freistellen. Das gebietet schon seine Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern aus § 618 BGB i.V.m § 4 Nr. 1 ArbSchG, § 241 Abs. 1 BGB.  

Besteht für die Zeit der Freistellung ein Entgeltfortzahlungsanspruch?  

Für die Zeit der Freistellung sind die Bezüge des Arbeitnehmers weiter zu bezahlen, § 615 BGB.

Darf der Arbeitgeber statt einer Freistellung einseitig Urlaub zuweisen?  

Nein, eine einseitige Zuweisung von Urlaub durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig. Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zur berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 BurlG).  

 

Etwas anderes kann nur allerdings gelten, wenn ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung dies vorsieht.  

 

Ausnahme: Sieht der Arbeitsvertrag die einseitige Anordnung von Betriebsferien vor, kann der Arbeitgeber von diesem Recht auch im Falle von Corona Gebrauch machen. Allerdings müssen dabei die auch bisher geltenden zeitlichen Grenzen eingehalten werden.  

Darf der Arbeitgeber einseitig den Abbau von Zeitguthaben oder Überstundenkonten anordnen?  

Ja! Der Arbeitgeber darf einseitig den Abbau von Überstunden oder Arbeitszeitkonten anordnen, es sei denn, die zugrunde liegende Vereinbarung über das Zeitkonto lässt dies nicht zu.  

 

Beispiel: Sieht die Vereinbarung vor, dass der Arbeitgeber über den Abbau von Überstunden entscheiden darf, ist dies natürlich auch mit Blick auf Corona möglich.

 

Liegt das Dispositionsrecht laut Vereinbarung hingegen beim Arbeitnehmer, scheidet die einseitige Anordnung des Abbaus von Überstunden oder Zeitguthaben durch den Arbeitgeber aus.  

Darf der Arbeitgeber Mitarbeiter verpflichten mehr zu arbeiten, also Überstunden aufzubauen?  

Ja, erlaubt der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung die einseitige Anordnung von Überstunden, ist dies auch in Zeiten von Corona möglich. Die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes sind dabei natürlich einzuhalten.  

Hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Verschiebung eines bereits gewährten Urlaubs mit Hinweis auf Corona?  

Nein, der Arbeitgeber kann an dem bereits gewährten Urlaub festhalten und den Arbeitnehmer zwingen, diesen anzutreten. Das gilt auch dann, wenn die vom Arbeitnehmer geplante Reise wegen des Coronavirus abgesagt wurde.  

Welche Auskunftsrechte hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer?   

Fragen, wie  

  • Wo waren Sie im Urlaub? 
  • Besteht bei Ihnen ein Infektionsverdacht?  
  • Was haben Sie am Wochenende gemacht?  

bergen datenschutzrechtliche Probleme.  

 

Allerdings gelten in Zeiten von Corona Lockerungen im deutschen Datenschutzrecht. Danach sind aktuell die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich Gesundheitsdaten von Beschäftigten durch den Arbeitgeber oder Dienstherren zulässig, um eine Ausbreitung des Virus unter den Beschäftigten möglichst zu verhindern oder einzudämmen.  

 

Diese Fragen sind zulässig:  

  • Wurde bei Ihnen eine Infektion festgestellt? 
  • Hatten Sie Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person?   
  • Haben Sie sich im relevanten Zeitraum in einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten?  

 

Wichtiger Hinweis: Die Frage wo sich der Arbeitnehmer aufgehalten hat, ist nach wie vor unzulässig.  

Besteht auch ein Frage- bzw. Auskunftsrecht gegenüber Gästen und Besuchern?  

Ja, gegenüber Gästen und Besuchern besteht dasselbe Fragerecht wie gegenüber Arbeitnehmern.  

 

Auch Name und Kontaktdaten dürfen abgefragt werden, allerding müssen diese von Seiten der Gäste oder Besucher nur genannt werden, wenn eine entsprechende Anordnung der Gesundheitsbehörde vorliegt.  

Darf der Arbeitgeber die Identität eines infizierten Mitarbeiters im Betrieb bekannt geben?  

Die Preisgabe der Identität einer infizierten oder unter Infektionsverdacht stehenden Mitarbeiters ist nur zulässig, wenn dies für Vorsorgemaßnahmen erforderlich ist.  

 

Beispiel: Die Bekanntgabe der Identität ist erforderlich, wenn geklärt werden muss, wer im Betrieb Kontakt mit der betreffenden Person hatte.  

Darf der Arbeitgeber Dienstreisen verbieten?  

Ja, der Arbeitgeber darf Dienstreisen verbieten. Das gilt auch gegenüber dem Betriebsrat.  

Darf der Arbeitgeber private Reisen in ein Risikogebiet verbieten?  

Nein, eine private Reise darf der Arbeitgeber nicht verbieten. Allerdings könnte der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers im Krankheitsfall entfallen, da die Krankheit in diesem Falle unverschuldet sein könnte.  

Hat der Arbeitnehmer eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber?  

Ja, es gehört zur arbeitsvertraglichen Treuepflicht, den Arbeitgeber zu informieren, wenn sich der Mitarbeiter etwa in einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten hat oder Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person hatte. Diese Informationen muss der Arbeitnehmer von sich aus offenlegen (§ 242 BGB).

Hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht bei Dienstreisen in Risikogebiete 

Ja, soll die Dienstreise in ein Gebiet erfolgen, für das eine Reisewarnung seitens des Auswärtigen Amtes oder eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts besteht, kann er den Antritt der Dienstreise verweigern.  

 

Beispiel: Eine Dienstreise nach Tirol dürfte ein Arbeitnehmer aktuell verweigern.  

Besteht eine Arbeitspflicht, wenn der Mitarbeiter gesund aus einem Risikogebiet zurückkehrt?  

In jedem Falle, wer keine Krankheitssymptome hat, muss seine Arbeit nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet wieder aufnehmen.  

Dürfen gesunde Arbeitnehmer aus einem Nachbarland noch die Grenze passieren?  

Ja, derzeit dürfen Grenzgänger noch zur Arbeit kommen, das gilt selbst dann, wenn offiziell eine „Grenzschließung“ besteht. Dies gilt vor allem dann, wenn der Mitarbeiter in einer Branche tätig ist, die für die Versorgung, Sicherheit und kritische Infrastruktur wichtig ist.  

Bestehen auch Vergütungsansprüche, wenn der Mitarbeiter an Corona erkrankt?  

Natürlich kann der Arbeitnehmer im Falle einer Corona-Erkrankung Entgeltfortzahlung verlangen.  

 

Wichtiger Hinweis: Dieser Anspruch kann jedoch entfallen, wenn der Mitarbeiter trotz Reisewarnung in ein Risikogebiet gereist ist und seine Krankheit damit verschuldet hat.   

Welche Erleichterungen gibt es zurzeit bei der AU-Bescheinigung?  

Seit dem 9.3.2020 gilt eine auf 4 Wochen befristete Erleichterung zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Danach kann der Arzt die Arbeitsunfähigkeit auch über das Telefon feststellen.  

 

Vorausgesetzt,   

  • es handelt sich um eine Erkrankung der oberen Atemwege, 
  • der Patient weist keine schwere Symptomatik auf das heißt nicht COVID 19, 
  • der Patient erfüllt nicht die Kriterien des Robert-Koch-Instituts für einen Verdacht auf eine Infektion mit Corona (weder in den letzten  14 Tagen Kontakt zu einer Person, bei der das Coronavirus nachgewiesen wurde, noch sich in einem Gebiet aufgehalten hat, in dem gehäuft COVID-19-Fälle auftreten) 
  • für maximal 7 Tage 
  • die Bescheinigung kann nach telefonischer Befragung und aufgrund der persönlichen und ärztlichen Überzeugung vom Zustand des Versicherten ausgestellt und per Post zugeschickt werden. 

 

Diese Erleichterung gilt seit dem 11.3.2020 auch für die Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei der Erkrankung eines Kindes.  

Schule oder Kita ist geschlossen:  Darf der Arbeitnehmer zu Hause bleiben und Lohnfortzahlung verlangen 

Eine kurzfristige Befreiung von der Arbeitspflicht ist in diesem Fall möglich, da dem Mitarbeiter die Erbringung seiner Arbeitsleistung unmöglich ist (§ 275 Abs. 3 BGB) 

 

In diesem Fall besteht auch ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, § 616 BGB, vorausgesetzt,  

  • es besteht keine andere Betreuungsmöglichkeit im Haushalt des Kindes 
  • es handelt sich um einen Zeitraum von bis zu 5 Tagen (herrschende Meinung) und  
  • das Kind ist nicht älter als 12 Jahre 

 

Wichtiger Hinweis: § 616 BGB ist in vielen Arbeitsverträgen wirksam ausgeschlossen. Darüber hinaus sehen zahlreiche Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge so genannte Katalogfälle vor, in denen ein Anspruch auf Fortzahlung nach § 616 BGB besteht. In diesen Fällen könnte ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB entfallen.  

Was geschieht mit dem Vergütungsanspruch, wenn die Kita oder Schule länger als 5 Tage geschlossen ist?  

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung aus § 616 BGB besteht nach herrschender Meinung nur für die Dauer von 5 Tagen. In dieser Zeit muss sich der Mitarbeiter um eine anderweitige Betreuung kümmern.  

 

Besteht der Verhinderungsgrund länger als 5 Tage, entfällt der Vergütungsanspruch nach § 616 BGB von Beginn an, da die Verhinderung von vornherein nicht „vorübergehend“ war.   

Besteht ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers bei einer behördlich angeordneten Quarantäne?  

Ja,  ein solcher Anspruch besteht  

  • im Falle einer Quarantäne des Arbeitnehmers nach des § 30 Infektionsschutzgesetz (IFSG) und  
  • bei infizierten Arbeitnehmern oder solchen, bei denen ein Corona-Verdacht besteht nach auf § 31 IFSG („Ansteckungsgefahr“) 

In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch nach § 56 IFSG 

 

Wichtiger Hinweis: Ist der Arbeitnehmer krank, ist die Rechtslage zurzeit unklar. Das BAG hat 1978 entschieden, dass ein Entschädigungsanspruch nur entsteht, wenn der Arbeit nicht arbeitsunfähig ist. Andernfalls geht ein etwaiger Anspruch aus § 616 BGB auf Lohnfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber vor, und zwar für die Dauer von 5-10 Tagen (BAG vom 30.11.1987, Az.: III ZR 43/77 zu § 49 BSeuchG). Erst danach entsteht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IFSG. Allerdings steht heute in der Diskussion, dass ein Anspruch auf Entschädigung auch im Falle der Krankheit gilt. Hier könnte sich also ganz bald schon etwas ändern.

Wie hoch ist die Entschädigung  des Arbeitnehmers nach § 56 IfSG und wer zahlt sie? 

Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall (§ 56 Abs. 2 IFSG) wie folgt:  

  • in den ersten 6 Wochen: in Höhe des Verdienstausfalles (= Netto-Arbeitsentgelt) 
  • von Beginn der 7. Woche an: in Höhe des Krankengeldes (§ 47 SGBV).  

 

Wichtiger Hinweis: Der Arbeitgeber ist vorleistungspflichtig (§ 56 Abs. 5 IFSG). Er hat die Entschädigung für die zuständige Behörde an den Mitarbeiter zu zahlen. Allerdings gilt dies nur für die ersten 6 WochenDanach ist das jeweilige Bundesland leistungspflichtig.  

 

Kann der Arbeitgeber dieser Vorleistungspflicht nicht nachkommen, ist ihm auf Antrag ein Vorschuss zu gewähren (§ 56 Abs. 12 IFSG). Ob dies allerdings in der Praxis zu einer Beschleunigung führt, ist in Zeiten von Corona fraglich.  

Wer macht den Erstattungsanspruch geltend und in welcher Frist muss das erfolgen?  

Der Erstattungsanspruch (des Arbeitnehmers) ist vom Arbeitgeber beim jeweiligen Bundesland innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Beginn der Quarantäne oder des Tätigkeitsverbots geltend zu machen (§ 56 Abs. 11 IFSG).  

 

Einige Bundesländer bieten bereits Antragsformulare auf ihren Internetseiten an, so etwa die Landschaftsverbände Nordrhein-Westfalen.  In anderen Bundesländern bedarf es noch es noch eines Antrags auf Papier.  

 

Besteht ein Anspruch auf der Grundlage des IFSG auch, wenn der Arbeitgeber von Seiten der Stadt schließen muss und nicht wegen der Maßnahme einer Gesundheitsbehörde?  

Nein, bei einer Schließung des Betriebs besteht kein Anspruch auf Entschädigung nach dem IFSF.  

 

Der Grund: Für einen solchen muss eine Quarantäne, also eine Absonderung oder ein individuelles Tätigkeitsverbot des Arbeitnehmers vorliegen. Wenn der Arbeitgeber den Betrieb einstellen muss, fehlt es an einer solchen individuellen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers. Vielmehr verwirklicht sich in diesem Falle das Betriebsrisiko des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer behält seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber.   

Welche Neuerungen bringt die Corona-Krise für das Kurzarbeitergeld?  

Da ändert sich einiges. Mit Rückwirkung zum 1.3.2020 gelten diese Neuerungen zum Kurzarbeitergeld:  

  1. Es reicht bereits aus, wenn 10% der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer vom Entgeltausfall  betroffen sind.  
  2. Negative Arbeitszeitsalden in Arbeitszeitkonten müssen nicht mehr vorrangig genutzt werden, um Kurzarbeit zu vermeiden.  
  3. Die Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die Kurzarbeit beziehen, die bisher vom Arbeitgeber getragen werden mussten, werden ab sofort ganz oder teilweise von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.  
  4. Auch Leiharbeiter können künftig Kurzarbeitergeld beziehen, § 11a AÜG. Dies war bisher durch § 4 Abs. 11 AÜG ausgeschlossen.  

Diese Änderungen gelten zunächst befristet zum 31.12.2021.  

Wie beantragt ein Arbeitgeber Kurzarbeitergeld?  

Wer Kurzarbeitergeld beantragen möchte, sollte diese drei Links kennen: 

  1. Informationen zur Kurzarbeit für Arbeitgeber:  https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-bei-entgeltausfall 
  2. Merkblatt zur Beantragung: https://www.arbeitsagentur.de/datei/merkblatt-8a-kurzarbeitergeld_ba015385.pdf  
  3. Anzeige über den Arbeitsausfall: https://arbeitsagentur.de/datei/anzeige-kug101_ba013134.pdf  

 

Wichtiger Hinweis: Bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes gibt es in der Praxis für Sie als Rechtsanwalt wenig Probleme, da die großen Lohnabrechnungsprogramme dies schon automatisch machen. Sie berechnen sogar den Erstattungsbetrag aus. 

 

Wichtiger Hinweis: Wenn die Anzeige der Kurzarbeit bis zum Letzten eines Monats bei der Agentur für Arbeit eingeht, gilt dies rückwirkend für den gesamten Monat! Für den eigentlichen Erstattungsantrag hat der Arbeitgeber dann insgesamt 3 Monate Zeit.

Gibt es inzwischen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für Minijobber, Rentner oder Azubis 

Nein, den gibt es nach wie vor nicht. Weder Minijobber noch Rentner haben einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.  

 

Bei Azubis scheitert dieser Anspruch bereits daran, dass ein Anspruch auf Ausbildung besteht. Diese arbeiten daher auch nicht weniger, da sie nach wie vor ihr Ausbildungsziel erreichen müssen.  

 

Der Grund: Ein Arbeitnehmer muss sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, damit ein Anspruch auf Kurzarbeitergelt entsteht.  

Kann das Kurzarbeitergelt vom Arbeitgeber aufgestockt werden?  

Ja, es gibt bereits Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die eine solche Aufstockung vorsehen. Eine Aufstockung ist problemlos möglich.  

Darf der Arbeitgeber Kurzarbeit einseitig anordnen?  

Nein, die Einführung von Kurzarbeit bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers oder, sofern vorhanden, der des Betriebsrats. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer Betriebsvereinbarung.  

 

Nicht selten stimmen Betriebsräte einer Kurzarbeit aber nur zu, wenn sich der Arbeitgeber bereit erklärt, das Kurzarbeitergelt aufzustocken. Dann wird es natürlich etwas kostspieliger für den Arbeitgeber.  

 

Verweigert der Arbeitnehmer oder der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kurzarbeit, hat der Arbeitgeber nur wenig Möglichkeiten, die Kurzarbeit durchzusetzen. Er kann es mit dem Angebot eines zusätzlichen Zuschusses zum Kurzarbeitergeld versuchen. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot aber nicht an, sind dem Arbeitgeber die Hände gebunden. Denn es gibt keinen Anspruch auf Zustimmung des Arbeitnehmers zur Kurzarbeit 

 

Wichtiger Hinweis: Die Zustimmung des Arbeitnehmers kann bereits im Arbeitsvertrag erklärt werden. Aber die AGB-Kontrolle macht häufig einen Strich durch die Rechnung, da entsprechende Vertragsklauseln in der Vergangenheit bereits als intransparent und als damit unwirksam erklärt wurden.  

Muss der Arbeitgeber einseitig Urlaub anordnen, bevor er zur Maßnahme der Kurzarbeit greift?   

Die Kurzarbeit muss nach wie vor unvermeidbar sein. Neu ist, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeitkonten nicht mehr ins Minus fahren muss. Aber, den Resturlaub aus dem Jahr 2019 muss der Arbeitnehmer ohnehin bis 31.3.2020 nehmen, um ihn nicht zu verlieren. Das bedeutet, dass der alte Urlaub vor Beantragung der Kurzarbeit genommen werden muss. Der neue Urlaub aus dem Jahr 2020 aber nicht!  

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Was genau hat sich hierbei durch Corona geändert?   

Die Änderungen ergeben sich aus einer Pressemitteilung des BMJV vom 16.3.2020. Danach gilt bis zum 30.9.2020 diese wichtige Änderungen zur Insolvenzantragspflicht für Unternehmen:  

  • Unternehmen sollen nicht deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen.  

 

Diese Erleichterung gilt allerdings nur, wenn 

  • die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht. Das bedeutet, dass zur Haftungsentlassung der Geschäftsführer und Vorstände der Nachweis der Ursächlichkeit der Corona-Epidemie für die eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erforderlich ist, und 
  • bei dem betreffenden Unternehmen aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Kurz: Werden keine Staatshilfen beantragt und gibt es auch sonst keine erfolgsversprechenden Sanierungsbemühungen, dürfte der Grund für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entfallen.

Betriebsbedingte Kündigung: Ist die Corona-Epidemie ein hinreichender Kündigungsgrund?  

Der reine Hinweis auf die Corona-Epidemie dürfte nicht ausreichen, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss bei betriebsbedingten Kündigungen nach wie vor „dringende betriebliche Erfordernisse“ darlegen können, um eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen zu können.  

 

Aber dringende betriebliche Erfordernisse durch Corona alleine reicht nicht aus, da bei betriebsbedingten Kündigungen zum Zeitpunkt der Kündigung feststehen muss, dass die Beschäftigung entfällt, was bedeutet, dass die Folgen der Krise bereits absehbar sindUnd das ist aktuell wohl schwer zu begründen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Kündigung „auf Vorrat“ nach wie vor nicht zulässig ist 

 

Wichtiger Hinweis: Wenn der Arbeitgeber hingegen die  durch die Corona-Epidemie bedingte Unsicherheit zum Grund einer unternehmerischen Entscheidung nimmt, also etwa eine interne Umstrukturierung, wie den Wegfall einer Hierarchieebene vornimmt, dann könnte eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Dennoch, das Wort der Stunde ist die Kurzarbeit.

Das sind die Fragen, die sich Anwälte in Deutschland jetzt stellen 

Alle reden davon, dass die Bürger zu Hause bleiben und soziale Kontakte auf ein Mindestmaß einschränken sollen. Mindestens für 14 Tage. Wahrscheinlich aber auch für länger. Derweil sollen aber alle weiterarbeiten – auch Sie als Anwalt. Dabei stellen sich natürlich Fragen. Antworten erhalten Sie in unserem exklusiven Artikel von Prof. Dr. Markus Gehrlein.

Mehr erfahren

Mehr erfahren

Alle Angebote zu den juristischen Auswirkungen von Corona

Alle Angebote zu den juristischen Auswirkungen von Corona